Mut-Mach-Geschichte aus dem Haus Christophorus
veröffentlicht am 14.07.2025
Als ich gemeinsam mit der Natur erwachte
„Als Yvonne, eine meiner ersten Bezugsklientinnen in unsere Einrichtung, dem Haus Christophorus in Herzogenrath-Merkstein, einzog, war sie gezeichnet von Jahren des schädlichen Alkoholmissbrauchs, verwahrlost, mit tiefgreifenden kognitiven Beeinträchtigungen und gebrochen durch den Verlust ihrer sechs Kinder. Ihr Blick war leer, ihre Bewegungen unsicher schleppend und ihre Lebensfreude schien sie förmlich verloren zu haben.
Bereits nach kurzer Zeit begann sich etwas zu verändern: In der sicheren Umgebung unserer Einrichtung fasste sie Vertrauen, was dazu führte, dass sie sich stabilisieren und kleinschrittige Erfolge erzielen konnte. So fand sie ihre private Räumlichkeit selbst auf, erlernte wieder das Gehen ohne Rollator, knüpfte soziale Kontakte im Hause und lernte somit zu Leben. Mit jedem Tag, den sie nüchtern verbrachte, kehrte ein Stück ihrer Gesundheit und somit ihres Daseins zurück.
Eines Tages entdeckte sie den Garten und die Natur für sich. Zuerst nur als Ort der Ruhe und des Rauchens, dann als Raum der Möglichkeiten und vielfältigen Optionen, in welchem sie sich neu begegnen konnte. Sie begann sich für die Natur sowie für die Pflanzen zu interessieren, sie stellte Fragen und wollte lernen. Mit der Zeit übernahm sie Verantwortung: Sie goss die Blumen, jätete Unkraut, pflanzte Neues und wuchs gemeinsam mit der Natur.
Die Arbeit im Garten gab ihrem Tag nicht nur Struktur, sondern auch einen Sinn und Zuversicht auf ein gelingendes Leben. Sie fand Freude daran, das Wachstum der Pflanzen zu beobachten und ihre Pflege zu übernehmen. Es war, als würde sie durch die Natur auch sich selbst neu entdecken.
Meine persönliche Leidenschaft für die Natur konnte ich an sie weitergeben und sie diesbezüglich erreichen. Gemeinsam sprachen wir über Pflanzen, Jahreszeiten und über das Wetter. Diese Gespräche waren mehr als nur Smalltalk – sie waren der Grundstein für ihre Entdeckungsreise.
„Denn wie Musik und Kunst, ist die Liebe zur Natur eine gemeinsame Sprache, die politische und soziale Grenzen überwinden kann.“ – Jimmy Carter.
Diese Erfahrung hat mich nicht nur tief berührt, sondern mir in vielerlei Hinsichten Mut geschenkt. Zu sehen, wie die Natur einen Menschen heilen, ihm Hoffnung und Lebensfreude schenken kann, hat in mir den Wunsch verstärkt, mich weiterzubilden und zugleich an unsere hausinterne Gartengruppe zu glauben. Ich möchte in Zukunft eine gartentherapeutische Weiterbildung absolvieren, um dieses Medium noch gezielter einsetzen und somit zahlreiche Menschen mitreißen zu können. Denn ich habe nicht nur am eigenen Leib erlebt, dass die Natur und ihre Wirkungen wahre Wunder in sich birgt, sondern diese miterleben und begleiten dürfen.“
Xavier Freitag, Mitarbeiter im Haus Christophorus