Caritas fordert differenzierte Debatte zum Thema Migration

veröffentlicht am 07.02.2025

Der Regionale Caritasverband Aachen begleitet mit unserem Fachreferat Migration & Integration seit vielen Jahren Migrantinnen und Migranten. Die öffentliche Diskussion zu diesem Thema veranlasst uns zu folgender Positionierung.

Die Caritas erwartet eine Rückkehr zu einer Debatte, die dem komplexen Sachverhalt gerecht wird.
Die Beschreibung von einfachen Kausalitäten, die Gewalttaten in einen direkten Zusammenhang mit Einwanderung setzt, hält sie für unzulässig. „Diese Pauschalisierungen, bei denen Ermittlungsergebnisse weder abgewartet noch berücksichtigt werden, führen zu Vorverurteilungen ganzer Personengruppen, worunter auch viele unserer Betreuten leiden“, kritisiert unsere Expertin Géraldine Wronski. „Mit diesen Vereinfachungen werden rechtspopulistische Narrative bedient. Kriminalität und Herkunftsland eines Täters werden unzulässig in einen Kontext gesetzt, anstatt sich sachlich mit einer differenzierten Ursachenanalyse zu beschäftigen.“ Unsere Caritas beobachtet, dass diese plakativen Lösungsversprechen zunehmend zu Spaltungen in der Gesellschaft, aber auch in einzelnen Stadtvierteln führen. „Ohne eine differenzierte Debattenkultur bleiben in der Konsequenz die eigentlichen Problemlagen ungelöst“, so Wronski.

Die Caritas fordert alle politisch Handelnden auf, sich den Herausforderungen von Migration proaktiv zu widmen und Menschen Möglichkeiten zur Teilhabe und Partizipation zu eröffnen, anstatt Maßnahmen zu ergreifen, die das Leben in Deutschland erschweren oder die Ausweisung priorisieren.

Unser Kollege und Referatsleiter Marinko Kalic erinnert an das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl, erwartet aber auch konkrete Maßnahmen zur Integration: „Insbesondere im Hinblick auf den demografischen Wandel und den zunehmenden Fachkräftemangel sollten die Bekämpfung von Hemmnissen und die Förderung der Integration in den Fokus gerückt werden.“ Kalic sieht große Probleme in der Vermittlung von Wohnraum, besonders bei Familien. In Alsdorf betreut er eine Familie, die bereits seit vier Jahren in der Notunterkunft verbleiben muss. „Menschen mit `Migrationshintergrund´ werden auf dem Wohnungsmarkt oft benachteiligt, die hohen Mietpreise sind eine zusätzliche Hürde.“ Gelungene Integration würde auch durch fehlende Kindergartenplätze behindert. Durch überlastete Behörden dauern Asylverfahren teilweise über viele Jahre. „Ein von uns begleiteter Antragsteller aus Kirgistan wartete acht Jahre auf eine Entscheidung. Lange Bearbeitungszeiten erschweren ebenfalls den Zugang zum Arbeitsmarkt “, so Kalic.

Er fordert einen gezielteren Blick auf die Lebenslagen von geflüchteten Menschen. „Viele stammen häufig aus Kriegsgebieten und sind oft traumatisiert oder zumindest durch den Verlust ihres bisherigen Lebensumfeldes stark belastet. Dazu kommen neue Herausforderungen in Deutschland, z.B. die fremde Sprache, neue Regeln oder auch wirtschaftliche Belastungen, Armut und beengte Wohnverhältnisse.“ Konkrete – auf diese Bedarfslage zugeschnittenen -Hilfeangebote seien begrenzt und dringend ausbaubedürftig. Ein besonders eindrückliches Beispiel für die unzureichende Versorgung sieht Kalic in der psychotherapeutischen Betreuung geflüchteter Menschen: „Lediglich 6 % der behandlungsbedürftigen Geflüchteten erhalten einen Therapieplatz. Die Verfügbarkeit von Sprachkursen (insbesondere mit Kinderbetreuung) und spezialisierten Beratungsangeboten ist völlig ungenügend.“

Unser Caritas-Vorstand Bernhard Verholen sieht in den nicht abgestimmten Verfahrensprozessen zwischen Sozial-, Ausländer- und Sicherheitsbehörden auf allen Ebenen Staatsversagen.
Er erwartet von den demokratischen Parteien nach der Wahl die Rückkehr zu Dialog und Kompromissbereitschaft sowie die Einhaltung von Zusagen hinsichtlich der Nicht – Zusammenarbeit mit Parteien, wie der AFD, die eindeutig demokratiefeindliche Werte vertritt. „Ich habe Sorge, dass die demokratische Mitte zerfällt und im Land Gegner der Demokratie profitieren. Anstatt pauschal Gruppen wie Migranten zum Sündenbock einer in vielen Feldern seit Jahren unzureichenden Politik zu machen, muss die Politik insgesamt wirksam handeln. Das Warnen vor den Rechten alleine genügt nicht. Es gilt dringend viele bürokratische Hürden sowie undurchsichtige Zuständigkeiten zwischen Land und Bund abzubauen. Anerkennungsverfahren von beruflichen Abschlüssen sind zu beschleunigen oder der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu bezahlbarem Wohnraum schneller zu ermöglichen. Das würde helfen, Frustration, Enttäuschung, Sinnleere und psychische Erkrankung zu vermeiden. Wir – die Caritas als Teil der Freien Wohlfahrtspflege – sind bereit, bei der Lösung vieler großer Herausforderungen zu helfen. Die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie durch mangelhafte Infrastruktur nicht umgesetzt werden können.“

Marinko Kalić

Ansprechpartner

Marinko Kalić

Referatsleitung Migration und Integration

Telefon: 0241-94927222

E-Mail: m.kalic@caritas-aachen.de

Fremdsprachen: englisch, kroatisch

Géraldine Wronski

Ansprechpartnerin

Géraldine Wronski

Telefon: 0241-94927285

E-Mail: g.wronski@caritas-aachen.de

Fremdsprachen: englisch

Bernhard Verholen

Ansprechpartner

Bernhard Verholen

Vorstand

Telefon: 0241-4778335

E-Mail: b.verholen@caritas-aachen.de