„Bettel-Situation“ im Aachener Innenstadtbereich

veröffentlicht am 18.11.2019

Im laufenden Jahr 2019 meldeten die Mitarbeiter des „Troddwar“ und „Café Plattform“ häufig Kontakte zu Bürgern, die sich über die Frequenz der Personen, die aggressiv betteln – speziell im Bereich der Aachener Innenstadt – beschweren. Neben der problematischen Situation am Aachener Bushof ergibt dies ein hohes Potential der Unzufriedenheit bei Bürgern und Besuchern der Stadt Aachen. Gerade im Areal rund um das Aachener Rathaus, Dom, Münsterplatz und obere Pontstraße ist die Personenzahl, die bettelt gefühlt hoch. Dieser Eindruck wird durch das Ordnungsamt und die Verwaltung der Stadt Aachen bestätigt.

Wir reden in diesem Gebiet von ca. acht bis zwölf Personen die regelmäßig Passanten auffallen. Die Art des Bettelns ist vornehmlich passiver Natur. Die Bettler sitzen in den Ecken und stellen ein Schälchen für Spenden vor sich. Ein kleiner Teil der beschriebenen Gruppe geht aktiv auf Passanten zu. Hier sprechen wir von sogenanntem „aggressiven Betteln“, was wiederum eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Diese Klienten Gruppe umfasst ca. drei bis sechs Menschen.

Wir sind mit unseren beiden Einrichtungen Troddwar und Café Plattform gut aufgestellt und können diese Menschen in der Regel auch erreichen. Uns ist diese Zielgruppe bekannt. Die durch die organisatorische Zusammenführung der beiden Einrichtungen entstandene fast 24-stündige Erreichbarkeit führt dazu, dass kein Klient auf der Straße sein müsste oder nicht die Möglichkeit hätte, seine misslich wirkende Lage anderweitig zu lösen. Mit Essenspreisen von 1,80 Euro und 2,00 Euro sind die Mahlzeiten in unseren Einrichtungen erschwinglich. Wer sich dies nicht leisten kann, wird von uns nicht verwiesen. Eine Übernachtung und die Nutzung sanitärer Anlagen in unserem Café Plattform ist kostenfrei.  Weiterhin steht den Klienten die Option offen, mit der Teilnahme an unserer Maßnahme „Querbeet“ zwischen 1,50 Euro und 4,50 Euro pro Tag zu verdienen und begleitet dazu ein Essen und Getränk in den Einrichtungen zu erhalten.

Gartenprojekt Querbeet
Die Querbeet-Einsätze, die nach einer Förderung des Jobcenters  im August 2019 auch auf den innerstädtischen Bereich ausgeweitet wurden, dienen als mobile Anlaufstationen für Bürger mit Anregungen und Beschwerden.  Neben dieser Möglichkeit sind werktags Streetworker unterwegs und gehen aktiv auf Einzelhändler, öffentliche Aachener Institutionen und Bürger zu. Darüber hinaus sind die Einrichtungen Troddwar und Café Plattform im Rahmen ihrer Öffnungszeiten telefonisch erreichbar. Gerne können Interessierte mit unseren Mitarbeitern bei Bedarf Ortstermine vereinbaren. Den Streetworkern wird somit ermöglicht, durch das Mitwirken der Bürger deutlich aufmerksamer zu sein für die Entwicklungen neuer Szeneplätze und Bewegungen innerhalb der Szenen.

Netzwerk Niedrigschwelligkeit
Die Einrichtungen Café Plattform und Troddwar sind federführend in der Organisation des Netzwerkes Niedrigschwelligkeit in Aachen.  In diesem Arbeitskreis wirken u.a. Vertreter der Stadt Aachen, der Wabe sowie der Bahnhofsmission und tauschen sich regelmäßig über die Thema Wohnungslosigkeit und Sucht aus. Das Troddwar ist darüber hinaus in der „kleinen Ordnungspartnerschaft Aachen“ vertreten und somit gut vernetzt mit der Aachener Polizei, Ordnungsamt und der städtischen Kümmerin.

Fazit
Das Aachener Hilfesystem ist gut organisiert und kann schnell und zielgerichtet auf Entwicklungen der Szene reagieren. Diese können sowohl pädagogischer als aber auch stellvertretend durch Polizei oder Ordnungsamt ordnungspolitischer Natur sein.
Das Hindernis, mit dem das Hilfesystem in Aachen bezüglich des Themas Betteln konfrontiert wird, ist der wirtschaftliche Faktor. Die Personen, die selbst passiv im Aachener Innenstadtbereich sitzen, erwirtschaften eine nicht unerhebliche Summe. Diese kann täglich zwischen 40 und 200 Euro liegen. Dies ist ein so großer Anreiz, das Verhalten – auch auf Ansprache durch die Sozialarbeiter – nicht zu verändern. Die hohe Besucher- und Touristendichte rund um den Dom ist eine praktisch nicht abebbende Möglichkeit, Geld zu verdienen.
Perspektivisch sollte das Aachener Hilfesystem aufklärend und transparent auf die Bürger zugehen und versuchen, Verständnis zu schaffen für die Situation der Klienten. Darüber hinaus muss die Ansprache an die Bettler durch die ordnungspolitischen Organe wie Polizei und Ordnungsamt konstant fortgeführt werden. Die Soziale Arbeit ist nicht in der Lage, bettelnde Personen aus dem Stadtbild zu entfernen. Das ist auch nicht Zielsetzung und wäre sogar ein Widerspruch zu eigentlichen Auftrag. Ziel der Einrichtungen und Projekte ist, wohnungslosen Menschen Perspektiven zu schenken auf ein möglichst selbstständiges menschenwürdiges Leben. Querbeet ist hier eine Möglichkeit, beide Seiten gleichzeitig zu informieren und Aufmerksamkeit und Verständnis im öffentlichen Raum zu erzeugen. Dies gilt für Bürger und Bettler gleichermaßen.