Suchtprävention am Arbeitsplatz

veröffentlicht am 04.11.2019

Sucht ist eine Krankheit, die jeden treffen kann. Auch vor Unternehmen und Verwaltungen machen Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit, Essstörungen oder Spielsucht keinen Halt: Rechnet man repräsentative Untersuchungen zum Alkoholkonsum in Deutschland hoch, so sind statistisch in jedem Betrieb fünf Prozent der Belegschaft alkoholabhängig und weitere zehn Prozent gefährdet, eine Alkoholsucht zu entwickeln. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) geht ferner davon aus, dass ein Drittel der Heroin- und zwei Drittel der Cannabiskonsumenten einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen. Den ‚suchtmittelfreien Betrieb‘ gibt es daher nicht.

Ansprechen wirkt
„Drogenkonsum und Suchtprobleme schaden nicht nur den Betroffenen und ihren Familien, sondern auch Kollegen und Arbeitgebern“, weiß unsere Mitarbeiterin Yvonne Michel, Fachkraft für betriebliche Suchtprävention der Suchthilfe Aachen. Folgen sind über kurz oder lang meist geringere Produktivität, höhere Fehlzeiten, ein gesteigertes Unfallrisiko, ein belastetes Betriebsklima und/oder eine beeinträchtigte Außenwirkung. Und dennoch scheuen sich Vorgesetzte häufig, das Thema anzusprechen. „Viele wissen einfach nicht, wie man dieses schwierige Thema anpacken kann. Dazu kommt die Befürchtung, das Ansprechen der Probleme könnte die Situation nur noch verschlimmern.“ Dabei sind die Rückmeldung von Sorgen und konkreten Beobachtungen sowie das Aufzeigen von drohenden Konsequenzen, wie der Verlust der Arbeitsstelle, meist genau die Mittel, die wirken. Durch frühzeitiges Ansprechen können betroffene Mitarbeitende motiviert werden, ihr schädigendes Verhalten zu überdenken und professionelle Hilfe anzunehmen. Wegsehen dagegen fördert die Verfestigung einer Suchtentwicklung. Häufig stehen so am Ende lange krankheitsbedingte Ausfälle oder gar die Kündigung einer wertvollen Arbeitskraft.

MOVE am Arbeitsplatz
Genau hier setzt unsere Fortbildung „MOVE am Arbeitsplatz“ an, die mit dem dritten Platz des Deutschen Weiterbildungspreises ausgezeichnet wurde. In drei Seminartagen lernen die Teilnehmenden die oben beschriebene Situation konstruktiv zu meistern, Betroffenen frühzeitig zu helfen und ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber ernst zu nehmen. Ziel ist es, die gesundheitlichen Gefährdungen abzubauen, arbeitsfähig zu bleiben, bzw. wieder zu werden und so einer Kündigung vorzubeugen. Die hier erlernten Fertigkeiten sind übertragbar auf viele weitere (schwierige) Gesprächsanlässe im betrieblichen Kontext, z.B. im Wiedereingliederungs-Prozess nach längerer Krankheitsphase. „Unsere diesjährige Fortbildung ist aktuell mit 14 Teilnehmern zu Ende gegangen. Auch im nächsten Jahr wird die Fortbildung wieder als offenes Angebot stattfinden“, so Yvonne Michel.

Werner Barke, alkoholabhängig, trocken seit Januar 2005
Herr Barke hat für ein Medizintechnik-Unternehmen zunächst in Berlin, später in Brunssum/Niederlande als leitender Angestellter gearbeitet. Im Laufe seines (Arbeits-) Lebens entwickelte sich bei ihm eine Alkoholabhängigkeit. Vor und während der Arbeit trank er keinen Alkohol, jedoch direkt nach Feierabend. Daher zeigten sich während des Tages mal mehr, mal weniger starke Entzugssymptome wie Übelkeit, Gereiztheit und starkes Schwitzen. Damit sowie fiel er sicher bei Führungskräften und seinen Kollegen auf, doch niemand sprach ihn darauf an. Den Weg zur Suchthilfe fand er erst nach zwei heftigen Autounfällen, die jeweils im Totalschaden mit hohen Kosten endeten und einer Trennung. Im Nachgang sagt Herr Barke, er hätte sich schon viel früher gewünscht, man hätte ihm den Spiegel aufgezeigt und ihn auf seine Alkoholprobleme angesprochen. Er ist sich sicher, dass er damit die Chance gehabt hätte, schon früher zu verstehen, dass er Hilfe von außen benötigte, um den Weg aus der Sucht zu finden. So musste er erst „ganz unten“ sein, um in eine Entgiftung zu gehen, eine stationäre Therapie zu machen und eine Selbsthilfegruppe zu besuchen.

 

 

Yvonne Michel

Ansprechpartnerin

Yvonne Michel

Fachstelle für Suchtprävention, Einrichtungsleitung

Telefon: 0241-41356130

E-Mail: y.michel@caritas-aachen.de