„Jeder Mensch braucht ein Zuhause“
veröffentlicht am 11.07.2018
Caritas Aachen baut symbolisch ein Badezimmer auf die Straße um auf Wohnraumnot hinzuweisen.
Im Rahmen der Jahreskampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ des deutschen Caritasverbandes hat auch die Aachener Caritas auf den Wohnungsmangel und deren Wirkungen auf die Menschen in der Stadt aufmerksam gemacht. Auf dem Holzgraben baute sie ein „Open-Air-Badezimmer“ um symbolisch strukturelle Defizite aufzuzeigen.
Vorstand Bernhard Verholen nannte als Gründe für den Wohnraummangel in Deutschland die Zunahme von Einpersonenhaushalten sowie auch das Bevölkerungswachstum – von 2011 bis 2016 stieg die Einwohnerzahl von rund 80 Mio. auf 82,5 Mio. an. Ebenfalls stieg der Bedarf an Wohnfläche: Lag diese in der Nachkriegszeit noch bei 15 qm pro Person, ist sie heute auf 44,5 qm gestiegen. Kontinuierliche Miterhöhungen führten zu einem geschrumpften Angebot in den preisgünstigen Segmenten. 1,6 Mio. Menschen zahlen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Miete, 1,3 Mio. davon steht nach Abzug der Miete nur noch ein Einkommen unterhalb des Existenzminimums zur Verfügung.
„Wohnraumversorgung ist ein zentraler Faktor in der Armutsdiskussion, neben den Faktoren Einkommensverhältnisse, Gesundheit, Arbeit und Bildung. Auch Untersuchungen haben gezeigt, dass das Thema adäquate Wohnraumversorgung in der Bevölkerung als drängendes Problem gesehen wird. 75 % werten Wohnungsverlust als hohes Risiko.“
Die Caritas Aachen weist darauf hin, dass Wohnraumengpässe nicht nur Kinderreiche, Alleinerziehende, Migranten oder Einkommensschwache betreffen, sondern bis in die Mitte der Gesellschaft hineinreichen. Es geht auch um Auszubildende und Studierende, Ältere und Alleinstehende oder auch Menschen, die ihre Wohnungen aus familiären oder beruflichen Gründen aufgeben müssen, z.B. bei Familiengründung, Trennung, Auszug von Kindern oder Arbeitsplatzwechsel. Auch Menschen mit psychischen oder chronischen Erkrankungen sind betroffen.
Die Caritas betont, dass sie nicht nur zuschaut, sondern schon immer aktiv gegenwirkt: Bereits in der Nachkriegszeit gründete sie eigene kirchliche Wohnungs- und Siedlungsgesellschaften zur Schaffung von preisgünstigem Mietwohnungsbau und Eigenheimbauten für kinderreiche Familien. In der Städteregion unterhält sie eigene Wohnungsbauten für bestimmte Zielgruppen, wie das „Haus Christophorus“, das „Haus Impuls“, die Wohngemeinschaften „Hasselholz“ und „Laurensberg“ sowie diverse Einrichtungen der Behindertenhilfe. Sie vermietet kirchliche Wohnungen an Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten und bietet auch sozialarbeiterische Hilfen an in ihren ambulanten Fachberatungsstellen, in der Wohnungsvermittlung für Migranten und sowie in den stationären Einrichtungen Café Plattform und Don-Bosco-Haus.
Verholen ruft auch die Kommunen in der Städteregion auf, ihren Beitrag zu leisten: „Bei der Vergabe von Grundstücken muss die Qualität von Konzepten entscheiden. Ein Kriterium sollte dabei ein fester Anteil an gefördertem Wohnungsbau sein. Sinnvoll kann auch die Vergabe kommunaler Grundstücke in Erbpacht sein.“ Weiter fordert er, dass die Fehlbelegungsabgabe wiedereingeführt und die Bindungsfristen für Sozialwohnungen auf 25 bis 30 Jahre ausgeweitet werden. „Vorrangige Aufgabe kommunaler Wohnungsbaugesellschaften muss es sein, günstigen Wohnraum zu schaffen oder vorzuhalten. Stadtplanung sollte darauf achten, dass im Rahmen von Gebäudemodernisierungsvorhaben Bestandsmieter nicht aus dem jeweiligen Quartier verdrängt werden wegen Unbezahlbarkeit.“ Im Quartier regt Verholen an, mit Hilfe von Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit Beteiligungsprozesse zu gestalten: „Artikulationsschwache Gruppen und Personen sollten Gehör finden und darin unterstützt werden, sich zu Wort zu melden.“