„Leben lernen von den älteren Herrschaften“
veröffentlicht am 17.05.2021
Alltagsbegleiterin Heike Nelles setzt auf Partnerschaftlichkeit mit pflegebedürftigen Menschen
„Das, was ich tue, tue ich mit Spaß“, erzählt Heike Nelles mit einem ansteckenden Lächeln, „ich freue mich einfach jeden Morgen, zu meinen Patienten zu fahren.“ Sie sagt dies ganz authentisch und man versteht, dass sich die meist pflegebedürftigen Menschen wegen ihrer positiven Energie auch bei ihr wohl fühlen.
Heike Nelles ist 55 Jahre alt, seit fast 25 Jahren verheiratet und Mutter von drei bereits volljährigen Kindern. Ihre berufliche Karriere begann sie als gelernte Einzelhandelskauffrau in einem Baumarkt und arbeitete danach 16 Jahre als „Mädchen für Alles“ in einer Zahnarztpraxis. Als vor vier Jahren beide Eltern starben, entschied sie sich für eine Neuorientierung und arbeitet seitdem als Alltagsbegleiterin im Referat Pflege unserer Caritas Aachen.
„In der Betreuung meiner eigenen Eltern hätte ich mir oft selbst Unterstützung von außen gewünscht. So wuchs in mir der Wunsch, professionell für ältere Menschen da zu sein. Ich möchte ihnen das Gefühl geben, ihr seid nicht allein!“
Sie begleitet also die „älteren Herrschaften“, wie sie sie liebevoll nennt, durch den Alltag. Unterstützt sie beim Saubermachen, Einkaufen oder auch beim Bett beziehen. Sie übernimmt wichtige Telefonate, wenn es irgendwas zu erledigen gilt oder nimmt mit den Betreuten Arzt- oder Behördentermine war.
„Oft ist es gerade den schwächer werdenden Menschen nicht mehr gelungen, ihre Wohnung zu reinigen. Dann freut es mich, ihnen eine saubere Badewanne zu schenken. Oder es ist schön, die Freude in den Augen zusehen, wenn ich genau die richtigen Sachen eingekauft habe. An manchen Tagen sind die Haushaltstätigkeiten aber gar nicht die Hauptsache: Da ist einfach Zuhören angesagt.“
Heike Nelles nennt ihre Unterstützung „Hand in den Rücken“. Sie bevormundet die älteren Menschen nicht, sondern hat großen Respekt vor deren Lebensleistung. „Sie sind nicht ohne Grund so alt geworden, ich lerne täglich von ihnen und bewundere oftmals, mit wie viel Rückgrat viele mit ihrer Krankheit umgehen. Eine Dame mochte zum Beispiel noch nie besonders warme Mahlzeiten. Was soll ich sie erziehen? Schließlich wurde sie mit Obst und frischem Gemüse 92 Jahre alt.“
Besonders die Demenzkranken hat Heike Nelles in ihr Herz geschlossen. Gemeinsam mit den Angehörigen überlegt sie manchmal ganz praktische Lösungen, wie zum Beispiel ein Tagebuch, um Ängste zu nehmen. „Hier kann ich oft durch meine Gelassenheit alle Beteiligten entlasten. Wenn ich merke, dass die Stimmung kippt, unterbreche ich eben mein Staubsaugen. Und dann essen wir halt was zusammen.“
Hat Heike Nelles nicht auch mal Stress auf der Arbeit? Die Frage verwundert sie eher. „Ich sehe es als eine spannende Herausforderung an, Menschen zu helfen. Und es ist wichtig, sich Pausen zu gönnen zum Durchatmen. Aber man muss auch Grenzen setzen und da ist mir Ehrlichkeit sehr wichtig. Ich spreche die Dinge, die mich stören, offen und klar an. Das ist sehr erfolgreich.“
Humorvoll konfrontiert sie die Patienten, wenn sie etwas stört, hält aber das Gespräch aufrecht und pflegt eine sehr wertschätzende, respekt- und vertrauensvolle Beziehung. „Ich weiß, dass Krankheiten, Menschen verändern und auch die Sorge, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. „Das dauert manchmal seine Zeit, manchmal muss man auch um Respekt buhlen. Um so schöner, wenn am Ende dann jemand sagt, wie schön, dass Sie da sind.“
Heike Nelles will weiter für ihre „älteren Herrschaften“ da sein. In der Corona-Zeit hat sich für viele das Gefühl der Einsamkeit noch einmal besonders verstärkt. In ihrer Dienstgemeinschaft mit anderen Alltagsbegleitungen und mit den Pflegekräften fühlt sie sich sehr gut aufgehoben.
Ist Heike Nelles wunschlos glücklich? „Ich wünsche mir, dass uns noch viele Menschen erlauben, in ihr Leben zu treten. Denn so können wir etwas bewirken.“
